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Referat Techno - Erscheinungsform einer Jugendkultur

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Techno - Erscheinungsform einer Jugendkultur

. Einführung

Techno als Musik ist n chtern betrachtet ein weiteres kulturelles Informationssystem. Mit diesem Satz kann man die Jugendkultur Techno als facettenreiche Erscheinung nur andeuten. Techno ist weit mehr als die Summe seiner Einzelbestandteile und Erscheinungsformen, in die sich die Jugendkultur der 90er Jahre zerlegen läßt. Man kann

sich dem Phänomen Techno zwar nähern, indem man jeden Teilaspekt einzeln untersucht, jedoch darf man bei dieser Analyse nicht den Blick auf die gesamte Erscheinung vergessen.

Techno hat in seiner Erscheinungsform als Jugendkultur ähnlich der Rock- oder aber auch der Punkbewegung eigene Erlebnisformen entwickelt. Verhaltensweisen, insbesondere auf den Tanzveranstaltungen, 'Raves' genannt, ußern sich in speziellen Tanzstilen.

Nach außen wirken die Teilhaber dieser Gemeinschaft wie eine 'eingeschworene Familie', was sich bei genauerem Hinsehen doch schwerer so eindeutig fassen läßt. Identifikationsstiftend sind Außerlichkeiten, die optische Wirkung auf das Umfeld, z.B. durch die Klamotten, oder auch durch die Art und Weise, wie und wo Körperschmuck getragen wird. Ahnlich wie sich Pop-Fans als Popper oder Rock-Fans als Rocker bezeichneten und/oder bezeichnet worden sind, so bezeichnen sich die einzelnen Mitglieder der Rave-Gemeinde als Raver':

Techno-Kleidung ist, wie schon zu Rock'n Roll- oder Punkzeiten, eine visuelle Abgrenzung zur gesellschaftlichen

Kleidernorm der angepaßten Durchschnittslangeweile. Techno-Mode zitiert auch Modecodes aus allen bisherigen

Jugendbewegungen '

Und wenn es gewisse Ahnlichkeiten mit fheren Jugendbewegungen gibt, so ist Techno deswegen schon wieder

neu und anders, weil diese Bewegung die aus den anderen gesammelten Elemente anders zusammenstellt, um Neues zu schaffen und sich abzugrenzen. Es gibt natürlich auch zahlreiche Stimmen, die sich mit den Eigenschaften und Leistungen von Techno kritisch auseinandersetzen:

Ist Techno . oberflächlich? Hält er die Jugend vom Denken und vom Handeln ab? Korrumpiert er durch schrankenlosen Konsumismus, undhrt er auf direktem Weg in den Abgrund? Techno ist so oberflächlich, handlungs- und denkhemmend wie Schwimmtraining. ) Techno ist vor allem eine körperliche Bet tigung: Tanzen.', stellt Thomas Haemmerli in seinem Artikel 'Das Lebensgefühl - Nachrichten vom Rave' fest. Er bemerkt dort weiter:

Als Extra kommt bei Techno eine Umgebung hinzu, die den heutigen Errungenschaften visuellen und akustischen

Erlebens weit besser angepa t ist als die Glotze in den eigenen vier Wänden oder der Sportclub.'

Die Eigenheiten von Techno lassen diese Jugendkultur mit umfangreicher Erlebniswelt erscheinen. Es ist daher eine

Herausforderung, diese genauer zu untersuchen.

Wir kommen jetzt zu einer Schilderung der Entstehungsgeschichte von Techno, an der sich die Komplexität der Entwicklung ablesen läßt. Techno ist auch deutsche Geschichte: Die Entwicklung der Technokultur ist eng verkn pft mit der Aufbruchstimmung Berlins nach der Wende, weshalb dies ein Schwerpunkt unserer Hausarbeit ist: Techno in Berlin. Von hier gingen Impulse aus, die die Technokultur weltweit beeinflu t hat. Wir beginnen jedoch erst einmal mit einem Exkurs in die Geschichte der elektronischen Avantgarde-Musik:

. Exkurs: Die Geschichte der elektronischen Avantgarde-Musik

Im Prinzip findet man die Wurzeln der Technomusik am Anfang unseres Jahrhunderts: Europa war komplett industrialisiert, Eisenbahnen und erste Flugzeuge lie en die Welt zusammenrücken. Maschinen und Industriegeräusche gaben der Rhythmus der Zeit vor. Musik und Kunst waren nicht mehr darauf erpicht, den Schöngeist in ihren Werken sprechen zu lassen, sondern setzten sich u.a. vermehrt mit sozialen Themen auseinander.

Wir finden viel mehr Befriedigung in der Geräuschkombination von Straßenbahnen, ,Auspufflärm und lauten

Menschenmassen, als beispielsweise im Ein ben der 'Eroica' oder 'Pastorale'', schrieb Luigi Russolo in seinem

3 veröffentlichten Manifest 'Die Kunst der Geräusche'.

Moderne Komponisten begannen, sich der Welt der Industriegeräusche, derenrm und Gesetzen zuzuwenden. Einer der ganz fhen von ihnen ist Arnold Sch nberg, Vertreter der atonalen Musik, der in seiner Wiener Schule einen musikalisch revolutionären Schritt vollzog. Mit Karlheinz Stockhausen begannen die ersten Versuche der elektronischen Musik. 'Alle Klänge und Geräusche sind Musik', schrieb er.

Auch John Cage und Pierre Schaeffer gehören zu Vertretern der sogenannten 'Musique Concrète , in der sowohl Schreibmaschinengeklapper, als auch Sirenengeheule in die Musik eingebaut wurde. Das 'Sampling' - Prinzip, aus verschiedenen Bereichen Elemente herauszulösen und neu zusammenzustellen, machte hier seine ersten Gehversuche.

Die klanglichen Elemente der synthetisch hergestellten Musik sind zunächst der Sinuston - ein reiner, streng periodischer Schwingungsvorgang, der Knack und der Impuls. Durch Filtern, Überlagerung, Verdichtung und Verkürzung, Verzerrung und R ckkopplung dieser Elemente, werden Kl nge hergestellt. Simple Akkordfolgen, die ausdauernd ber pulsierende Rhythmen laufen, entfalten auf Dauer beimrer eine hypnotisierende Wirkung.

Die Aufbruchstimmung der späten sechziger Jahre, mit ihren vielfältigen kulturellen und politischen Bewegungen und der Verbreitung von psychedelischen Drogen, wie z.B. LSD, brachte der modernen Elektronik den eigentlichen Durchbruch. Der Synthesizer eroberte den Jazz und Pink Floyd machte sich neue Techniken im Studio auch auf der Bühne zu Nutze. 'Tangerine Dream' und Can , anfangs traditionelle Rockbands wollten 'Musik schaffen, die sich

von den Affekten des Hasses, der Aggression und der Verzweiflung löst und dem Zuhörer Freude und Hoffnung gibt; Musik, die den Menschen zur ckholt in den Zustand der Unschuld und den Zusammenhang der kosmischen

Energie.'

Diese Musikeinflüsse, die damals zur Avantgarde z hlten, nahm Techno in seiner Entstehungsgeschichte auf und nutzte diese Elemente - zusammen mit neuen Klängen - und machte sie letztlich zum hör- und erlebbaren Massenph nomen.

. Techno - A Star is born

Die Legende von Techno beginnt Ende 1 88 in Detroit. Dort ansässige Musiker veröffentlichten auf dem Plattenlabel 10 Records' eine härtere Variante von House-Musik, ohne Schnörkel, mit harten Rhythmen, einen rein elektronischen Funk: Die Detroiter hatten keine Ahnung, wie sie ihr Werk nennen sollten, bis Juan Atkins, einer der Altväter des Detroit-Techno, an einem Joint zog und meinte: Call . it . Techno!' So hat es zumindest Derrick May dem deutschen DJ WestBam erhlt. Der Name wird geboren und die Platte wird in England veröffentlicht. Doch die erste Platte, die aus heutiger Sicht schon nach Techno klingt, hatte Juan Atkins bereits 1 85 (unter Pseudonym) aufgenommen, ihr Titel: No UFO's.

Seine Einflüsse kamen zu jener Zeit aus der europäischen Musik, unter anderem 'Tangerine Dream' und 'Kraftwerk', dier ihr 9 5er Album 'Autobahn' die Technik des Synthesizer nicht zur Imitation von Instrumenten nutzte, sondern um synthetische Klänge und Rhythmen zu erzeugen. Kraftwerks Album schaffte es in die amerikanischen Charts.

Zuvor hatte George Kinsley 1 72 mit Popcorn den ersten völlig künstlichen Hit produziert, der ebenfalls als Techno-Vorläufer interpretiert wird. Mit ihrem 1977er Album 'Menschmaschine' verdeutlichten Kraftwerk ihre Forderung nach dem positiven Umgang des Menschen mit der Technologie. Sie verspürten den Einfluß der Maschinen auf ihre eigene Kreativität und ihre künstlerische Produktivität. Diese entfache sich zwischen digitalen Schaltkreisen des Rechners und elektromagnetischen Strömungen im Hirn. Nur der ganzheitliche Umgang mit moderner Technologie und der Natur garantiere ein Überleben und verhindere Zerstörung.

Diese Philosophie regierte auch viele Musiker, die sich in den 0er Jahren mit industrieller Musik beschäftigen, beispielsweise die Bands 'SPK' aus Australien, 'Coil' und 'Psychic TV' aus London oder eben die 'Einstürzenden Neubauten' aus Berlin, die mit apokalyptischen Harmonien gewohnte Rhythmen und Melodien zerstören. Sie kn pfen mit atonalen Klängen an frühere Versuche an, Musik den venderten Außenwahrnehmungen und Hörgewohnheiten anzupassen.

In Detroit ist Industrial sehr erfolgreich. Hier und in Chicago macht die Plattenfirma 'Hard Wax Trax' den neuen Musikstil charttauglich. Die Philosophie von Industrial ist düster und von der Vision einer zugrundegehenden Zivilisation geprägt, in die eine computerisierte Welt münden wird. In Detroit erleben die Menschen den Niedergang der Wirtschaft, Menschen werden von Maschinen ersetzt, ein Grund für Kraftwerk, demonstrativ Puppen zu Pressekonferenzen zu schicken.

Diese (gesellschafts-)kritische Haltung verschwindet später, als Techno aus den USA nach Deutschland kommt. Kraftwerk hat Impulse ber den Ozean ausgesandt, die Weiterentwicklung dieser Einflüsse kommen jedoch als reine Musik zurück: Techno, die reine Feier-Kultur (s.u.).

Unter dem Einfl von Kraftwerk produzieren mittlerweile auch schwarze Detroiter technologische Musik mit zwischenzeitlich rechtnstigen Second-Hand-Synthe-sizern. Ttypisch für Techno ist die - Bum Bum Bum Bum' im Viervierteltakt - 'Four to the Floor'-Baßlinie, der mit rhythmischen Klängen untermalt wird.

Dieser sehr fhe Techno steht in Abgrenzung zur immer kommerzieller werdenden House-Musik. Der Untergrund ist gleichzeitig die Wohnung von Derrick May, in der er und befreundete Künstler seit 19 6 an neuen Klängen forschen. Die angesprochene Platte mit dem Namen 'Techno' dreht sich 9 9 auch im Berliner UFO, obwohl man zu diesem Zeitpunkt dort kaum an Platten aus Detroit herankam.

Hier begann die deutsche Geschichte von Techno, die in und durch Berlin eine eigene Dynamik bekam und letztlich weltweitr neue Impulse (Love Parade oder auch Mayday, s u ) sorgte.

. Die Detroit-Berlin-Connection

Dimitri Hegemann, der heutige Betreiber vom Tresor am Potsdamer Platz, reist 9 8 nach Detroit, um dortr seine kleine Plattenfirma 'Interfish Records' die Industrial Band Clock DVA' über 'Hard Wax Trax' auf den amerikanischen Markt zu bringen. Im Austausch bekommt er ein Album mit dem Titel 'Deep into the Cut' von 'Final Cut', einer Gruppe, bei der auch 'DJ Jeff Mills' mitwirkte. Dieser beeinflu t bis heute maßgeblich die Entwicklung von Techno. Diese Platte macht 1 89 endgültig den Übergang von Industrial zu Techno hörbar.

19 9 erscheint diese Platte in Berlin. Dimitri Hegemann veranstaltet zusammen mit Achim Kohlberger wiederholt das Atonal-Festival im Berliner Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg, doch diesmal spielt keine Band, sondern es treten DJs (u.a. 'Jeff Mills' und der Berliner Cosmic Baby') auf, deren Mischung aus spätem Industrial und jungem Techno bei den Gästen gut ankommt.

Ptzlich stand das Publikum im Mittelpunkt des Abends, von DJs umsorgt. Was mich begeisterte, war die frische Tanzeuphorie. Jahrelang hatte die Untergrungszene in Berlin nicht mehr richtig getanzt, bis auf die kleine Gruppe im UFO und in der Turbine Rosenheim. Atonal fand als Party statt, das war definitiv der Beginn einer neuen Geschichte.'

Das Atonal-Festival brachte dem Publikum erstmals die Fusion von Industrial mit House-Elementen und moderner Tanzmusik näher. Die Berliner Szene wußte, daß es hier nicht um angelsächsische Importware handelte, sondern um etwas, was einst von hier abgesendet worden war und nun kulturell verarbeitet zurückschwappte. Alle Berliner Klangkünstler der Siebziger, die 'Einstürzenden Neubauten' und der immense Einfluß von 'Kraftwerk' kamen nun

hier zusammen und wurden in einer neuentwickelten Form präsentiert. Die Techno-DJs und Musiker aus Detroit fanden in Berlin ein Publikum, das sie besser verstand als das amerikanische.

Atonal war der zündende Funke, der Techno in seiner rohen Form zu einer Untergrundkultur wachsen lie , die in Berlin und Deutschland schon erste Wurzeln hatte. Die Parties hie en jetzt Techno-House-Parties, weil vielen der Unterschied zwischen Techno und dem noch discolastigen House nicht geläufig war.

Die Wurzeln des Techno sind amerikanisch, die Wurzeln des amerikanischen Techno wiederum deutsch. Doch nirgends hat sich diese neue Musikkultur so exzessiv und stilprägend entwickelt wie in Berlin nach dem Mauerfall.'

. Techno in Berlin:

a. Die besondere Situation der Mauerstadt & die Wende

Langeweile herrscht unter Berlins Szenegängern in den späten Achtzigern. Die Nachtschwärmer treffen sich immer in den gleichen Clubs und tanzen zu Musik, die in anderen Metropolen gerade Trend ist: 'Berlin wird kulturell von außen beatmet, auch im Untergrund.'

Vergessen sind die ersten elektronischen Gehversuche der Neuen Deutschen Welle (NDW). Neben dem Gemisch

aus Punk, Hip Hop und New Wave etablieren sich auch Bands, die aus den Klangtmmern der Industriegesellschaft ihren eigenen Stil entwickeln. F hrende Innovatoren dieser neuen Musik waren unter anderem 'Thobbing Gristle'

und 'Cabaret Voltaire', vor allem aber die 'Einstürzenden Neubauten', die die australische Avantgarde mit 'Nick Cave' zum Umzug nach Berlin veranlassen. Ihre neuen Kl nge werden später in hohem Ma e in den Techno- Untergrund einfließen.

Gleichzeitig gestalten sich im Berliner Metropol die ersten Formen der Non-Stop-Musik mit 'DJ WestBam'. Er mischt Soul- und Discoplatten so zusammen, daß man die Übergänge zwischen den einzelnen Liedern nicht mehr hört. Diese 'High-Energy-Musik', der Vorl ufer von House-Musik, 'war eine Sensation. Nur wenige wußten, wie das geht.'

Es bildet sich eine harte Fangemeinde, darunter auch gre Teile der Berliner Schwulenszene, die bis in die frühen Morgenstunden zu den sich endlos wiederholenden, stampfenden musikalischen Übergang mit Trillerpfeifen und Johlkonzerten tanzen. Diese ununterbrochene Musik hnelt sehr dem heutigen Techno, wie die in den USA, insbesondere in Chicago, entstandene House-Musik.

House findet seine Einflüsse in Disco, Funk und europäischer Tanzmusik, aus einer Mischung von Kraftwerk- und schwarzer Gospelmusik. WestBam kauft zu dieser Zeit alles, wo das Wort 'House' auch nur draufsteht, und versucht

6 die erste Berliner House-Party zu veranstalten.

Berlin hatte zu dieser Zeit noch keinen Dance-Untergrund, von der High-Energy-Schwulenszene vielleicht abgesehen. Aber hier gab es schon immer, mehr als in jeder anderen deutschen Stadt, Untergrund-Kultur. Das EX und POP, eine Berliner Szenebar, war Teil davon, eben mehrr Leute, die Einstürzenden Neubauten hörten oder Black Flag und dazwischen Schostakowitsch. Wir schleppten also zwei Technics 1210er, ein Mischpult und eine Roland 8 8 und meine ersten 30 House-Platten hinein. Daß Underground-Dancemusic plus Undergroundszene noch keine Underground-Danceszenen ergeben, kann man wohl als Ergebnis dieser ersten House-Parties Berlins, wohlmöglich Deutschlands, bezeichnen. Dieste ( ) wippten etwas mit und fragten sich, was da wohl passiert in ihrer Kneipe.'

Damals sorgt eine Variation von House, der Acid-House, auf Parties in London und Ibizar Furore und schwappt prompt in den Berliner Untergrund. Entstanden ist der Acid-House-Sound eher zufällig in Chicago, wo zwei DJs mit einem Roland TB 30 Synthesizer die Bfrequenzen verdrehen, verzerren und strecken und daraus ein Lied komponieren. Der neugeschaffene Klang wird zum Renner im Untergrund.

Berlin wird durch erste Acid-House-Parties in der Turbine Rosenheim Bestandteil und Multiplikator der

Untergrund-Bewegung. Im UFO, der 'Geburtsstätte der Berliner House-Szene' versammelten sich 19 8 89 all jene, die in den 0er Jahren eine Karriere hinter den Kulissen der Techno-Szene starten werden. Die illegalen Parties im UFO werden von Monika Dietl, Moderatorin bei Radio U kurzfristig angekündigt. Das UFO ist nur unter Insidern bekannt, wird von der Polizei und den Behörden gesucht und ist deshalb gut versteckt.

In diesem Lagerkeller einer Kreuzberger Ladenwohnung untermalen Stroboskop-Blitze visuell die neuen, wegen der schlechten Musikeinlagen kaum zuzumutbaren Töne von Acid-House. Die etwa 0 bis 00 anwesenden Gäste

tanzen 19 8 89 stundenlang gasmaskiert durch den lichttrunkenen Nebel zu den zusammengemischten

Endlosklängen.

Das Neue an der Musik war, daß es nicht mehr wichtig war, ob man die A- oder B-Seite der Platte spielte, wer der Interpret war und wer die Musik komponiert hat. Wichtig waren die neuen Klänge, mit denen es abging. Du mußt dir das so vorstellen: Du hörst dein Lieblingsstück, und darauf tanzt du dann. Irgendwann merkst du, daß du schon viele Stunden tanzt.'

Ein weiteres Novum ist, daß das Publikum der Star ist und die B hne ausfüllt, der DJ rückt in den Vordergrund. Eine Party, zu der die Leute in einer so großen Gruppe völlig frei und losgelöst tanzen, verursacht eine völlig neue, im Kollektiv erlebte, enorm positive Stimmung. Die 'Gib mir das Unterhaltungspensum für meinen Zwanziger, den ich bezahlt habe' Attit de, die den Konzertbesucher wieder frustriert in seine Welt hinausschickt, wird von der Partykultur geändert.

Der idealistische Einsatz der ersten DJs auf diesem neuen Musiksektor (u.a. auch 'Dr. Motte' und 'WestBam') macht für viele den Berliner Party Untergrund attraktiv und ist insofern zu schätzen, als daß diese Acid-House-Parties nie die breite Massenwirkung erzielten, wie wenig später die ersten Techno-Parties.

b. Die Wende

Die ersten Techno-Radiosendungen auf Radio U im Jahre , stoßen auch im Berliner Osten auf interessierte

Zuhörer. Die infizierten Ostbürger schneiden die Sendungen mit und veranstalten damit ihrerseits Parties.

Die Wiedervereinigung der Techno-Szenen dauerte genau zwei Tage. An einem Donnerstag gingen die Grenzen auf, und an einem Samstag machten wir gemeinsam Party im Westberliner Kultclub UFO.'

Das System der illegalen Raves funktioniert sogar auch im Osten. Erster Anbieter ist Wolle Neugebauer, der im Haus der jungen Talente in Mitte die erste große Technozid-Party veranstaltet, die mit rund 00 Besuchern ein voller Erfolg wird. Diese Raves sind gre ekstatische Technoveranstaltungen, wo möglichst viele Leute in einem Zustand des Tanzrausches zu vereinen.

Wenn die Leute miteinander abgehen und nicht auf die B hne konzentriert sind, sondern miteinander tanzen und auf geheimnisvolle Art miteinander kommunizieren, das ist schon was ganz anderes.'

Neue Namenr neue Formen bekannter Phänomene deuten hin auf eine neue kulturelle Indentität und auf ein neues Selbstwertgehl, das jeder Anhänger dieser ersten Techno-Parties versp rt. Raves finden mittlerweile europaweit statt, der Austausch von Gast-DJs expandiert, nirgends wird so ausgelassen gefeiert wie im wiedervereinigten

Berlin

Die Technozid-Parties hatten ein sehr radikales Konzept und einen sehr radikalen Raumansatz. Wichtig war vor allem die wahnsinnige Musikanlage, denn jede Tanzfläche funktionierte nach einem konzentrativen Prinzip. Du mu t mindestens vier Lautsprechertürme aufstellen und somit ein Feld erzeugen, d sich in der Mitte konzentriert. Hier b ndeln sich die Energien zwischen dem DJ und den Tanzenden . Wow. Und dann gab es dieses gnadenlose Stroboskop-Licht in der Mitte ber der Tanzfläche. Da es das einzige Licht war, hat man beim Tanzen völlig die Orientierung verloren. Das Ausreizen dieser minimalistischen Stilmittel , das war der Kick der Technozid- Parties.'

Die Machart dieser Parties beinhalten im wesentlichen alle Elemente, die auch die heutigen Techno-Parties charakterisieren. Die Philosophie bleibt im Laufe der Jahre dieselbe. Aufgrund der einstigen Illegalität lautet die Devise: Weniger ist mehr. Der ständige hektische Auf- und Abbau von Musikanlagen der Vergangenheit reduziert die Wahl der Requisiten aufs Nötigste. Trockeneismaschine, Stroboskop und laute Musikanlage bilden eine effektvolle und handliche Einheit.

Die Frage nach einem passenden Ort - einer Location - muß noch geklärt werden. Ideal scheint zu diesem Zweck der Osten. Er bietet nach dem Mauerfall einzigartige Möglichkeiten zu Parties an neu zugänglichen Orten wie Bunkern, Grenzanlagen oder in verlassenen Gebäuden der Armee und der DDR-Organisationen.

Die darin stattfindenden Parties geben deren historischer Atmosphäre eine Pgung. Die verfallenden Gebäude mit rohen Mauern und abgerissenen Rohren stellen die Dekoration dar und verweisen auf einen baufällig zugrunde gegangenen Staat. DDR-Polizei und Verwaltungskräfte scheinen 99 / 1 völlig gehmt, handlungsunfähig und ohne autoritäres Selbstverständnis. Alles scheint erlaubt und möglich und daherhlt sich der Untergrund mit dem Osten verbunden. Motivation genugr genügend Westler sich den Traum von Anarchie und extremer Freiheit hier zu verwirklichen.

Sechs Monate dauert es 19 0 bis Studenten und Teile der Kreuzberger Szene 1 0 leerstehende Mietshäuser in den Ostteilen der Stadt besetzen. Die dadurch neuentstandene Stadtteilkultur wird gekennzeichnet von Bars, Clubs, Partyorten oder Kunstgalerien, alle ohne Konzession, die wie Pilze aus der Erde sprießen, um nach der Schließung an anderen Orten erneut wieder aufzutauchen.

Durch den Fall der Mauer liegen die Zutaten für die kreativen Kräfte praktisch auf der Straße. Altes Ostinventar wird auf dem Sperrmüll zusammengesammelt und neu verarbeitet. Der Osten bietet jedem die Möglichkeit sich in billigem Lebens- und Arbeitsraum frei zu entfalten. Aus alt mach neu, und deshalb werden die besetztenuser im Prenzlauer Berg neu entdeckt und gelten heutzutage als Geheimtipr Touristen aus aller Welt.

Technojünger aus Ost und West nutzen die neuen Möglichkeiten in gleichem Maße. Die harten Bässe des Techno erschüttern die maroden Wände ehemaliger SED- und Stasi-Immobilien. Für die Westler eine neue unbekannte Party-Location,r die Ostler die Möglichkeit ihre Vergangenheit mit der Untergrundkultur Techno zu berwinden, denn Musik ist für sie erstmals kein Second-Hand-Import von 'Drüben', sondern ein Trend, den sie gleichzeitig erleben. Die Raves im Osten wecken den Abenteuergeist der Wochenend-Emigranten aus dem Westen.

Der Reiz ist das Unbekannte, das Illegale und das Neue im Gegensatz zum drögen Westwochenende und steht in der Tradition der britischen Clubszene zu Acid-House-Zeiten.  Um den behördlichen Zwangsjacken zu entkommen, werden die Parties mit Mund- und Flyerpropaganda beworben. Nur die Insider erfahren von den nächsten Veranstaltungen:

Das Weiterreichen von einem Flyer war schon so gut wie der halbe Eintritt, anders hast du ja von der Party h ufig nicht erfahren.'

So geschieht es auch im Berliner Osten, doch in einer bisher unbekannten Dimension. Alle Energie wird für die Organisation und in die Kreativität investiert. Viele der Initiatoren brechen mit ihrer Karriere ab, um sich ganz dem Techno-Leben zu widmen. Die ehemalige Schuhverkäuferin Marusha ergattert sich einen Moderatorenjob beim neugegr ndeten halbkritischen Sprachrohr der Ostjugend, dem Radiosender DT 6 . Mit Techno- und Houseplatten wird sie zur Identifikationsfigur der Jugendlichen und zum Aush ngeschild eines neuen Radios für eine neue Jugendbewegung und erhält nach kurzer Zeit die volle Kultreferenz aus den Untergrundkreisen.

Techno bietet der Jugend im Osten eine neue kulturelle Identität in der Wendezeit. Marushas Sendung 'Dancehall' wird zur Informationsbörse der sich langsam auffächernden Untergrundszene. Es werden die ersten technospezifischen Plattenfirmen gegründet, die Techno-Clubs werden se haft. Man produziert nun seine eigene Musik mit eigener Mode und Partykultur.

c. The Spirit of 1 91

Die Medien werden aufmerksam, beantworten erste besorgte Leserbriefe und setzen sich erstmals mit den neuen

Phänomen auseinander. Man prophezeit dem simplen 'Bum Bum' ein frühes Ende. Doch die Technoszene feiert

1 exzessiver und ausgiebiger den je - es wird als das Jahr des 'Spirit of 1' gefeiert und heute auch vermi t.

Heute ist alles Routine und langweilig und kommerziell. Damals war alles neu und aufregend, das Jahr 9 1 war das der ausgefallensten Parties', meint Frontpage-Herausgeber Jürgen Laarmann: 'Jeder, der dabei gewesen ist, wird das nicht vergessen. Die legendären Bunker-Parties waren sensationell.'

Eine Party zu feiern war 1 im Ostteil Berlins ganz einfach: Man wirft ein Notstromaggregat über einem ehemaligen NVA-Bunker an, und ab geht die Party:

Die haben für 0 Stunden einfach die Türen zugeschlossen, so daß keiner mehr aus dem Bunker 'rauskonnte. Ganz schön kraß war das. Aber da wurden die Slogans 'Love, Peace & Unity' wirklich in absolut ekstatischen Momenten mit allen zusammen gelebt. Das war eine Art modernes Hippietum. Man war bemüht, von den mega-individuellen Achtzigern wegzukommen, hin zu einer superdemokratischen Lebensform. Da steckte Aufbruch und Lebensgefühl drin. Es wurde auf Konflikte verzichtet. Es gab keine Machtausspielung, höchstens hintenrum, und es gab auch keinen Sex, auch wenn die Frauen im Latex-Mini herumliefen. Alles war so friedlich - eine abgeschw chte Realität mit überschwenglicher Freude '

Die unaufhaltsame Verbreitung der Szene wird ebenfalls dem Geist des Jahres ' 1 zuerkannt. Techno versprüht ein einzigartiges Gemeinschaftsgefühl, der Idealismus und die Euphorie infizierte Außenstehende und hatte missionarischen Charakter.

Man mag der Bewegung vorwerfen, durch die geheime Partykommunikation die Nicht-Involvierten absichtlich ausgegrenzt zu haben, aber trotzdem warr die junge Techno-Bewegung gleichzeitig eine freundliche Offenheit für neu Dazugestoßene charakteristisch. Jeder durfte bei der Dancerevolution mitmachen.

Das Motto war einfach und effektiv. Es gab einen inoffiziellen Kodex, der vorsah, daß alle ethischen Moralvorstellungen politisch korrekt zu sein hatten. Leider gab es darüber nie irgendwelche schriftlichen Vereinbarungen, anhand derer man dies nachvollziehen konnte, doch jeder, der neu in diese Bewegung dazustieß, akzeptierte den Moral- und Verhaltenskodex der Partykultur.

Die einst intimen Parties wurden gigantisch groß. Dies liegt nicht nur an dem gesteigerten Profitinteresse der Veranstalter, sondern vor allem an der unausgesprochenen Maxime der Techno-Kultur. Die andere Seite der Medaille wird im Partyjahr 9 1 gern verdrängt, nämlich daß sich diese Massenakzeptanz auch in Identitätsverlusten der Partybewegung ußert.

Auf der anderen Seite ermöglichte dieser Massenzulauf, daß sich Techno als das Hauptmusikprogramm in verschiedenen Berliner Clubs etablierte. Die teilweise in fr her genutzten Räumen/Häusern gegründeten Techno- Clubs wie z B. das WMF, der Tresor und das E-Werk (alle in Berlin/Mitte) sind noch heute, selbst nach Umzügen oder Umbenennungen, die Anlaufstellen der Nightlife-Szene. Eine Entwicklung, die parallel in anderen Großstädten der Bundesrepublik wie Hamburg oder Frankfurt zu beobachten war - und es ist noch kein Ende in Sicht.

Die Impulse gingen jedoch von Berlin aus, die Szene Berlins bereiteter Techno in Deutschland den Boden und ließ dann neue Einflüsse auch von außen zu - begründet ist dies maßgeblich an dem neuen, aufstrebenden Charakter der ehemaligen Inselstadt nach der Wende.

. Raus aus dem Untergrund:

Techno erblickt das Licht des Geldes

Die Technozid-Parties 991 werden abgelöst von Unternehmungen, die heute den Massencharakter der Techno- Bewegung symbolisieren. Mit dem Wachsen der Love Parade und der ersten Mayday-Parties beginnt langsam aber sicher der Weg vom Untergrund zum Mainstream. Techno wird zum Pop der Neunziger.

Die stetig wachsende Zahl der Techno-Anhänger zieht zwangsläufig auch die kommerzielle Vermarktung aller Techno-Veranstaltungen nach sich. Dies trifft im wahrscheinlich höchsten Maße die Vermarktungsstrategie der größten Techno-Innovation, nämlich die der Love Parade. Diese Veranstaltung lockte bislang jedes Jahr mehr (!) Techno-Sympathisanten an: 1 96 kommen insgesamt ca. 5 0 0 Menschen nach Berlin (was eine Verdopplung der Teilnehmerzahl von 9 5 entspricht ! , um bei dem ungefähr dreitägigen 'Techno-Taumel' dabeizusein.

Mit der einstigen Untergrundzeremonie hat die Massenekstase von heute kaum noch etwas zu tun. Die jährliche Love Parade als das 'Woodstock der Techno- & House-Generation .  Underground und Overground, Avantgarde und Mainstream, Camel-Promotion, XTC und CDU, die Techno-Bewegung scheint sich im kulturell Beliebigen zu verlieren.

Der Entwicklungsprozeß der Techno-Szene ist beeindruckend: 1 kommen 0 0 Raver nach Berlin, um die noch junge Bewegung begeistert zu feiern. Dreimal soviel wie 9 0, vierzig mal soviel wie 1 8 . Alle Techno- Involvierten aus ganz Deutschland reisen an, um die Love, Peace & Unity-Ravolution zu erleben.

Frontpage und die Love Parade haben ein besonderes Verh ltnis: Bis 1 90 war die Parade eine reine Berliner Veranstaltung, bei der ca. 0 0 Leute über den Ku'damm zogen. Dann traf Dr. Motte auf den Frontpage- Chefredakteur J rgen Laarmann und man verabredete, daß Frontpage erstmals auch berregional die Werbetrommelr die Parade rühren solle, so d auch die Anhänger von Love, Peace, Unity, House & Techno aus Deutschland und dem angrenzenden Ausland nach Berlin kommen könnten, um die Idee mitzuzelebrieren '

Diese neue Werbekomponente, ein gratis verteiltes bundesweites Techno-Magazin macht Werbung f r die kostenlose Party Love Parade, trug wesentlich dazu bei, daß sich dieses Open-Air-Ereignis zum Massenerlebnis wandelte.



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