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Der Begriff Realismus bezeichnet in der Literaturgeschichte
die vorherrschende literarische Strömung zwischen 1848 und 1885. Als
realistisch bezeichnet man eine bestimmte Form der künstlerischen Annäherung an
die Wirklichkeit.
Realistische Literatur versucht also eine Nachahmung des Lebens in all seinen
Erscheinungen. Die griechischen Philosophen Platon und Aristoteles haben diese
Art der Kunstdarstellung erfaßt. Bis heute gilt der Realismus als eines der
wichtigsten Darstellungsprinzipien.
Anfang des 19. Jahrhunderts bekam der Realismus wieder einen bedeutenden
'Aufschwung': Durch die politisch- gesellschaftlichen Umwälzungen und
durch die technischen Entwicklungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewann die
realistische Sichtweise zunächst in England und Frankreich eine neue,
überragende Bedeutung.
Der Realismus, also die reale Wiedergabe des Lebens, wurde nicht länger als
bloßes Stilmittel verstanden. Der Realismus forderte eine Konfrontation mit den
Kräften heraus, die das Leben der Gesellschaft und des Einzelnen bestimmen.
Vorformen der realistischen Auffassung fanden sich in Deutschland vor allem bei
den 'Sturm-und-Drang'-Dichtern. Besonders zu nennen sei hierbei der
'Sturm-und-Drang'-Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz.
Historischer Hintergrund
Zu Beginn der Epoche des Realismus gab es
nahezu in jedem europäischen Staat Aufstände der Bevölkerung. Besonders schlimm
waren Frankreich, Deutschland und Österreich betroffen.
Im Februar 1848 kam es in Paris zur ersten größeren Revolution. Anlaß für
diesen Aufstand des Kleinbürgertums und der Arbeiter waren die Wirtschaftskrise
und die Forderung nach einem Wahlrecht für alle; bis zu diesem galt in
Frankreich das Zensuswahlrecht, welches nur den Adeligen und Wohlhabenden
gestattete, an Wahlen teilzunehmen.
Im März 1848 kam es in Österreich zu einem Aufstand. Anlaß war hier, wie in
Frankreich, daß ein Großteil der Bevölkerung kein Wahl- und Mitspracherecht
hatte. Fürst von Metternich, der die Restaurationen durchführen sollte, war für
diese untragbare politische Situation verantwortlich. Durch den Aufstand der
Bürger gelang es, Fürst von Metternich im März 1848 zu stürzen. Kaiser
Ferdinand richtete eine neue liberale Regierung ein, die eine neue Verfassung
ausarbeiten sollte. Doch auch diese Verfassung schloß die 'normalen'
Bürger wieder von der Wahl aus (Zensuswahlrecht). Die neue Verfassung wurde
nicht anerkannt.
Wegen der labilen innenpolitischen Lage stimmte Kaiser Ferdinand der Forderung
der Bevölkerung nach Wahlrecht für alle Männer zu. Im Juli 1848 trat zum ersten
mal der öffentlich gewählte Reichstag zusammen und beschloß umgehend einige
Veränderungen: Alle Bürger haben ab sofort Anteil an der öffentlichen
Verwaltung und Gesetzgebung. Es herrscht Pressefreiheit und eine
verhältnismäßig gleiche Besteuerung der Stände.
Neben den Revolutionen in den Ländern Europas
gab es auch viele Kriege in den Jahren des Realismus. 1862 übernahm der
deutsche Ministerpräsident Otto von Bismarck die preußische Regierung um
Preußen zur Großmacht zu machen. Es kam zum Krieg mit Dänemark, nach dessen
Beendigung Dänemark die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an
Österreich und Preußen abtrat.
Diese Ländereien wurden zwischen Österreich und Preußen aufgeteilt. Doch bald
kam es zum ersten Konflikt zwischen den beiden Ländern: Bismarck wollte die
alleinige Herrschaft über Schleswig und Holstein erlangen und ließ darum 1866
preußische Truppen in Böhmen (gehörte damals zu Österreich) einmarschieren. Es
kam zur Schlacht bei Königgrätz, die die preußischen Truppen gewannen.
Österreich akzeptierte diese Annektierung und so kam es kurz darauf zur
Gründung des Norddeutschen Bundes, dessen erster Bundeskanzler Otto von
Bismarck war.
Aber auch gegen Frankreich führte Deutschland Krieg (zwischen 1870-1871).
Frankreich verlor den Krieg und mußte Elsaß und Lothringen an Deutschland
abtreten. Bald war Deutschland zu einer Großmacht mit 41 Millionen Einwohnern
geworden.
Eine weiterer wichtiger Geschichtsabschnitt in der Zeit des Realismus war
die Kolonialisierung des Ostens. Geschwächt durch den verlorenen Krieg,
versuchte Frankreich durch Erwerbung neuer Kolonien sein Ansehen in der Welt zu
verbessern. Wichtigste Errungenschaft dieser Zeit ist die Errichtung des
Suez-Kanals. Aber auch die Engländer waren nicht untätig. Sie kolonialisierten
Agypten und später den Sudan.
Ab 1880 begannen fast alle europäischen Länder, Teile Afrikas zu besetzen. Auch
Rußland begann immer weiter in den fernen Osten vorzudringen. 1854 schließt
Japan einen Handelsvertrag mit den USA ab. Die Japaner versuchen sich an der
westlichen Welt zu orientieren um die Wirtschaft zu verbessern. Durch die
ungeheure Arbeitskraft dieses Volkes setzte bald eine 'moderne
Industrialisierung' ein.
Die Literatur des Realismus
Die Literatur der Jahre 1848 - 1885 läßt sich grob in zwei Gattungen einteilen. Zum einen gab es den poetischen Realismus, zum anderen den kritischen Relaismus.
'Realismus' ist keine Erfindung des
19. Jahrhunderts. Schon im 15. und 16. Jahrhundert lassen sich realistische
Züge in der Dichtung erkennen. Bei Shakespeare und sogar in der Barockzeit
werden Erzählungen äußerst realistisch geschildert. Aber erst im 19. Jahrhundert
wird der Realismus zum Stilprogramm einer Generation.
Die 'Realisten' wandten sich vor allem gegen die Klassik und
Romantik. Man wollte das Erfahrbare und Überprüfbare darstellen und ächtete die
Phantasie. In der realistischen Dichtung sollen selbst die Gefühle und
Meinungen des Dichters außerhalb der Darstellung bleiben. Man war daran
interessiert, den Menschen in seinem alltäglichen Leben darzustellen.
Der Realist wollte illusionsloser Beobachter sein. Die Handlung der Werke fand
meistens in kleinen Orten oder Dörfern am Lande statt. Die Figuren waren häufig
Handwerker, Kaufleute und Bauern. Nicht die große Politik, sondern die kleine
Welt des Privaten bildete den Hintergrund.
Kennzeichnend für die Erzählung des Realismus ist die Rahmentechnik: Ein
Erzähler erinnert sich an eine Begebenheit aus seinem Leben oder an eine alte
Chronik, in der die dann folgende Geschichte erzählt ist.
Die Erzählung bekommt durch die Rahmentechnik den Anstrich eines Berichtes über
reales vergangenes Geschehen. Die bevorzugte literarische Form ist die Novelle,
die im Realismus ihren Höhepunkt erreicht.
Der Roman tritt im Realismus in verschiedensten Formen auf: als
Entwicklungsroman , als historischer Roman, als Zeitroman sowie als
Gesellschafts- und Familienroman.
Auf das Drama wird weitgehend verzichtet.
Die realistischen Erzähler beziehen sich meist ganz konkret auf die Gegenwart,
auf die Realität ihrer Zeit. Um in ihren Werken die ganze Wirklichkeit zu
erfassen, beschäftigen sie sich vor allem mit dem ihnen gut bekannten einfachen
Bürgertum.
Ausgelöst wurde der kritische Realismus in
Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts. Er soll ohne persönliche Stellungnahme
und ohne eine Spur von Teilnahme am Geschick der Handlungsperson erzählen.
Das Bemühen um unbedingte, unberührte Objektivität führte notwendig zur
Entdeckung des Häßlichen, Beklemmenden, des Elends und der Kümmerlichkeit
menschlichen Daseins.
Der realistische Erzähler möchte den Eindruck vermitteln, als stelle er ein
Geschehen möglichst objektiv dar. Er berichtet wie ein neutraler außenstehender
Zuschauer (neutrales Erzählverhalten). Dem Leser soll der Eindruck vermittelt
werden, daß sich das Geschehen unmittelbar vor ihm abspielt, als sei er selbst
Zeuge und nicht abhängig von einem auktorialen Erzähler.
Der Erzähler tritt als Vermittler zwischen Geschichte und Leser auf; er erläutert und beurteilt das Geschehen, stellt einen direkten Kontakt zum Leser her.
Der Erzähler tritt hinter das Geschehen zurück und überläßt die Beurteilung
dem Leser. Er ist nicht unmittelbar wahrzunehmen.
Im kritischen Realismus galt es als vorrangig, daß naturwissenschaftliche
Weltbild (Medizin, Biologie, Psychologie, Soziologie, ) als Grundlage zur Darstellung
des Menschen zu nehmen.
Schriftsteller des Realismus
Die Hauptvertreter des poetischen
Realismus sind
Adalbert Stifter (1805 - 1868)
Friedrich Hebbel (1813 - 1863)
Theodor Storm (1817 - 1888)
Gottfried Keller (1819 - 1890)
Theodor Fontane (1819 - 1898)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898)
Wilhelm Raabe (1831 - 1910)
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